Die Hörentwicklung

Die Hörentwicklung

Damit unser Gehör seine Komplexität erreichen kann, braucht es viel Zeit für die Reifung und Entwicklung. Bereits in der 24. Schwangerschaftswoche sind Innen- und Mittelohr voll ausgebildet und die Hörbahnen sind myelinisiert (isoliert). Als Fötus können wir nun die Stimme unserer Mutter, ihren Herzschlag und Aussengeräusche hören. Mit diesen ersten Geräuschen beginnt die Reifung des Gehörs, resp. der Hörbahnen, die bis ins Erwachsenenalter dauert.

Innen- und Mittelohr verändern sich nach der Geburt nur noch marginal und ihre Entwicklung ist somit beinahe abgeschlossen. Da wir nun als Säugling nicht mehr von dämpfendem Fruchtwasser und Gewebe umgeben sind, werden wir nun ungehindert von der Umwelt mit akustischen Signalen stimuliert und die Reifung beginnt in grossen Schritten.

In den ersten drei Lebensmonaten reagieren wir nur auf überschwellige, höhere Schallpegel mit diversen Reflexen. Einige davon sind der Moro Reflex (Klammer Reflex), der Akustiko-palpebrale Lidreflex (Augenblinzeln) und der Startle Reflex (Schreck Reflex). Ab dem zweiten Lebensmonat beginnen wir mit den ersten Sprechübungen und testen unsere Sprechwerkzeuge (Kehlkopf, Stimmbänder, Gaumen, usw.). Dies machen wir, weil es uns Spass macht zu spüren, was sich in unserem Kehlkopf und Hals alles bewegt und vibriert.

Vom vierten bis zum sechsten Lebensmonat beginnen wir räumlich zu Hören. Wir bewegen daher unseren Kopf leicht in Richtung der Schallquelle und reagieren auf Musik. Wir lernen auch die Hörinformationen mit anderen Sinnesinformationen, z.B. vom Auge, zu verbinden. So lernen wir, wo Mama und Papa stehen, wenn sie mit uns sprechen.

Kurz danach beginnen wir damit, auf Zurufe zu reagieren und können Schall auch seitlich oben lokalisieren. Zeitgleich beginnen wir mit der zweiten Lallphase, die wir mit unseren Ohren steuern, da wir immer mehr von uns wahrnehmen. Wir imitieren mit unserem Lallen den Tonfall und die Sprechmelodie ganzer Monologe unserer Eltern und Bezugspersonen. Dies machen wir so gut, dass man merkt, ob wir gerade den meckernden Vater imitieren oder etwas Lustiges erzählen.

Um den 11. Lebensmonat herum erkennen wir Verbots- und Signalworte (inkl. eigener Name) und reagieren auf leises Zureden aus ca. einem Meter Entfernung. Auch lokalisieren wir nun Schallquellen von oben sowie unten und reagieren mit „Mitsingen“ auf Musik.

Nach viel „nanana“ und „gagagaga“ teilen wir uns mit 12 bis 18 Monaten in Holophrasen (Einwortsätze) mit. In dieser Phase verwenden wir für ganze Sätze nur einzelne Worte oder Ausdrücke und passen je nach gewünschter Aussage unsere Intonation, unsere Mimik und unsere Gestik an. Ein „Ball?“ bedeutet „Ist das ein Ball?“ und ein „Flasche!“ bedeutet „Ich möchte meine Flasche!“ oder Ähnliches. Holophrasen können auch ganz abstrakt sein, wie z.B. „wawa“ oder „bubu“, wenn wir die Begriffe noch nicht kennen oder aussprechen können. In dieser Zeit beginnen wir auch, Rufe aus anderen Räumen und Geflüstertes zu verstehen. Wir lernen auch uns Geräusche, die wir bereits gehört haben, in unseren Gedanken vorzustellen.

Direkt nach den Holophrasen beginnen wir, Inhalts- und Funktionswörter ohne bewusste und regelhafte Grammatik aneinander zu reihen. Wir sprechen dann von „Fuss aua!“, „Mama weg?“ oder „Wasser platsch gemacht!“. Bis zum zweiten Geburtstag sollten wir einige dieser Mehrwortsätze und 50 Wörter sprechen können.

Mit zunehmendem Alter verwenden wir mehr Wörter, die Grammatik wird regelhafter und wir verwenden Haupt- sowie Nebensätze. Die zu Beginn bestehende Unsicherheit in der Artikulation wird sich sukzessive lösen und die Aussprache wird sich der Erwachsenensprache annähern; wenn alles optimal verläuft.

Langsam beginnen wir auch die Hörereignisse pro Ohr separat zu verarbeiten. Wir lernen, dass wir uns nur auf das einte Ohr konzentrieren können, wenn auf dem anderen etwas uninteressantes, wie z.B. die Mutter die mit uns schimpft, passiert. Dieses dichotische Hören, ein Teil des binauralen Hörens, nützt uns beim Sprachverstehen in Nebengeräuschen und ist daher eine wichtige Funktion.

Um den sechsten Geburtstag ist unser räumliches sowie binaurales Hören fertig entwickelt und unser Gehör funktioniert fast wie beim Erwachsenen. Jedoch macht sich noch jeder Wachstumsschub bemerkbar, da sich die zentrale Verarbeitung neu kalibrieren muss. Mit einer veränderten Kopfgrösse, einer neuen Gehörgangslänge und einer veränderten Ohrmuschel, klingt alles etwas anders. Wir selber nehmen dies nur unbewusst war.

Leider läuft die Hörentwicklung nicht immer optimal ab. Sie kann von Hörstörungen verzögert oder verunmöglicht werden. Je früher eine Hörstörung diagnostiziert und versorgt wird, umso besser kann die Hörentwicklung unterstützt werden.

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